Ethik als Erfolgsmotor
Erschienen in: Management Kolumne der Süddeutschen Zeitung 13. Mai 2002
Nr. 109
von
Bettina und Guido Palazzo*
Wenn in Unternehmen von Werten gesprochen wird, so ist damit meistens hartes, in Finanzkennzahlen verpacktes Datenmaterial gemeint. In solchen Unternehmen existiert das Thema der moralischen Werte allenfalls in der feinsinnige Prosa von Imagebroschüren oder in den öffentlichen Sonntagsreden von Vorstandsvorsitzenden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass moralische Werte im Grunde nichts mit der eigentlichen Tätigkeit zu tun haben und erst dann thematisiert werden, wenn man es sich finanziell leisten kann.
Inzwischen setzt sich in immer mehr Unternehmen die Erkenntnis durch, das Unternehmensethik keine weihnachtliche Lichterkette ist, die im Rhythmus der Konjunkturwellen an- und ausgeknipst werden kann. Sie ist ein strategischer Erfolgsfaktor, dessen Management auf Dauer gestellt sein muss.
Unternehmen handeln nicht in einem sozialen Vakuum, sondern sind Teil einer Gesellschaft, eingebunden in ein Geflecht aus Normen, Wertvorstellungen und Erwartungen. Dieses gesellschaftliche Wertegefüge ist seit einigen Jahre in Bewegung gekommen. Traditionen erodieren, die Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen zieht an, die Gesellschaft verändert ihr Gesicht. Sie wird komplexer, unübersichtlicher und in vielerlei Hinsicht riskanter. In einer nach Orientierung und Sinn suchenden Zeit rückt das Thema der moralischen Werte in der Aufmerksamkeit der Menschen weit nach vorne. Unternehmen, die den neuen Ansprüchen nicht gerecht werden, handeln nicht nur ethisch fragwürdig, sondern vor allem auch ökonomisch kontraproduktiv. Die weichen moralischen Werte haben harte ökonomische Konsequenzen.
Dies zeigt sich am deutlichsten in den veränderten Anforderungen an die Verantwortung von Unternehmen. Die Öffentlichkeit beobachtet unternehmerisches Handeln immer kritischer und wachsamer. Sie tut dies lokal, aber in zunehmendem Masse auch global vernetzt. Die mühsam aufgebaute Reputation kann schnell zerstört werden. Die empörte Öffentlichkeit bringt die betroffenen Unternehmen unter Druck, indem sie schlicht den Konsum ihrer Produkte verweigert. Die Gründe moralischer Empörung sind vielfältig, die Heftigkeit der Konsumentenreaktion kaum vorhersehbar. Es trifft wie den Metzger, dessen Produkten man in Zeiten von BSE nicht mehr vertraut. Wer Sport treibt, möchte dies vielleicht lieber in solchen Laufschuhen tun, die nicht unter menschenunwürdigen Bedingungen genäht wurden. Wer seinen Kindern Spielzeug schenkt, verzichtet vielleicht lieber auf die im chinesischen Gulag gefertigte Puppe.
Loyalität, Vertrauen und Reputation müssen erarbeitet werden, sie entscheiden mit über den unternehmerischen Erfolg. Kunden, Mitarbeiter, Marktpartner, Investoren und eine kritische Öffentlichkeit legen veränderte Maßstäbe an unternehmerisches Handeln an. Wer glaubt, das Thema über die Imagebroschüre abhaken zu können, wer legal mit legitim verwechselt und die Motivation der eigenen Mitarbeiter alleine über Entlohnungssysteme steuert, bekommt früher oder später Probleme. Unternehmen, die frühzeitig in Maßnahmen zur Schutz und zur Förderung ihrer Integrität investieren, verschaffen sich dagegen einen Wettbewerbsvorteil.
Die Risiken, die durch die Vernachlässigung der ethischen Dimension der Unternehmensführung entstehen können, nehmen zu. Im „ethischen Ernstfall“ ist es dann meist zu spät, um wirksam gegensteuern zu können. Die „Wiederherstellungskosten“ sind zudem fast immer teurer als präventive Maßnahmen. Und der Neuaufbau von Vertrauen und Reputation dauert lange.
Die gegenwärtige Rezession sollte daher als Chance zum Aufbau moralischer Reputation genutzt werden. So macht es zum Beispiel durchaus Sinn, die Entwicklung und Umsetzung eines Leitbildes parallel zu unvermeidbaren Entlassungen voranzutreiben. Gerade in einer solchen Situation kann man die Glaubwürdigkeit des unternehmerischen Ringens um die eigenen Werte beweisen.
*Die Autoren sind Geschäftsführer der Management Manufaktur AG in Sarnen, Schweiz
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